Diese Gemeinsamkeiten haben Social Media-Features mit sektenähnlichen Techniken

Soziale Medienplattformen und Sekten verfolgen ein ähnliches Ziel: Menschen zu beeinflussen.

Diese Gemeinsamkeiten haben Social Media-Features mit sektenähnlichen Techniken
“Photo of business people worshipping a golden calf”, by Eric × DALL·E, via reddit

Woran würdest du erkennen, dass du in einer Sekte bist? Und wenn nicht in einer Sekte, dann doch zumindest unter einem schlechten Einfluss stehst? Die Wahrheit ist, dass wir alle durch Social Media unter einem schlechten Einfluss stehen.

Anders gesagt: In vielen Netzwerken, in denen wir uns den ganzen Tag über aufhalten werden wir dazu verleitet, bewusst oder unbewusst auf eine Art und Weise zu denken und zu handeln, die vielleicht nicht ganz unseren eigenen Gedanken und Wünschen entspricht.

Soziale Medienplattformen und Sekten verfolgen ein ähnliches Ziel: Menschen zu beeinflussen. Soziale Medienplattformen halten ihre Nutzer:innen bei der Stange, um durch Werbeeinnahmen zu profitieren. Je mehr Lebenszeit du investierst, desto mehr Gewinn für das Unternehmen. 💁🏼

Sekten binden ihre Mitglieder an sich, um ihre Macht zu sichern und in den meisten Fällen auch Geld damit zu verdienen.

Allerdings gibt es “gesunde Sekten”, die eine aufgeklärte Haltung vertreten, und “autoritäre Sekten”, die einen unangemessenen Einfluss ausüben.

Viele Praktiken in den sozialen Medien sind eher dem “autoritären” Ende des Spektrums zuzuordnen, da die Unternehmen der jeweiligen Plattformen keine Transparenz gegenüber den Nutzern praktizieren (z.B. teilen sie nicht mit, welche Daten sie verwenden oder wie sie sie verwenden).

Auch wenn Social-Media-Bosse keine Sektenführer sind und auch nicht alle Social-Media-Nutzer Teil einer Sekte sind, kann die Art und Weise, wie Social Media die Nutzer:innen bei der Stange hält, mit der Vorgehensweise von Sekten vergleichbar sein. Hier sind einige Beispiele:

Autoritäre Sektenmethode (ASM) vs. Social Media Feature (SMF)

1: Love Bombing

ASM: Sekten überschütten ihre Mitglieder mit Bestätigung, Zuneigung und Schmeicheleien, wenn sie ihnen beitreten, und schaffen so ein Gefühl der sofortigen Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten.

SMF: Social-Media-Plattformen überhäufen die Nutzer:innen nach dem Beitritt mit emotionalisierenden Benachrichtigungen, während personalisierte Feeds den Eindruck einer Gemeinschaft erwecken, die “genau so ist, wie du”.

2: Bestätigungsfehler (confirmation bias) ausnutzen

ASM: Sekten nutzen Techniken wie die sich selbst verstärkende zirkuläre Logik, um Mitglieder zu verwirren, zu überfordern und zu verunsichern, damit sie neue Überzeugungen entwickeln, die ihre bestehenden Vorurteile bestätigen.

SMF: Soziale Netzwerke haben personalisierte Feeds, die zu Informationssilos führen, die bestätigen, was die Nutzer:innen bereits glauben. So werden kreisende Erregungszustände gefördert und erhalten. (Darüber habe ich hier einen Beitrag geschrieben.)

Empört euch
Wie anhaltende Empörung und Social Media den menschlichen Verstand und die Gesellschaft zerstört. Und was wir dagegen tun können.

3: Die Angst vor dem Ausstieg

ASM: Sekten nutzen eine Phobie-Indoktrination — das ist die Erzeugung von irrationaler Angst, dass beim Verlassen etwas Schlimmes passieren wird — um Mitglieder vom Ausstieg aus der Gemeinschaft abzuhalten.

SMF: Algorithmen in den sozialen Medien “pushen” Interaktionen von Freunden und Familie und nutzen die Angst, etwas zu verpassen (“Fear of missing out”, FOMO), wenn man nicht teilnimmt. Gezielte Warnhinweise bei einer Accountlöschung oder Profildeaktivierung unterstützen dies.

(Ein persönliches Beispiel über den Abmeldeversuch bei LinkedIn.)

Hello, my dear internet service for which I am about to cancel my subscription.
You want me to stay? Then don’t do THIS!

4: Teilwahrheiten missbrauchen

ASM: Sekten nutzen Teilwahrheiten, um überzeugende Geschichten zu erzählen, die mit ihren Zielen übereinstimmen.

SMF: Die Algorithmen der sozialen Medien verstärken die ansprechendsten Inhalte — selbst wenn es sich um Fehlinformationen handelt.

5: Auf einseitige Sprache konzentrieren

ASM: Sekten konstruieren die Gedanken der Gruppenmitglieder entlang binärer Linien, reduzieren die Komplexität und verwenden Phrasen, die die Diskussion zugunsten der Agenda der Sekte abschließen sollen, z.B. “Die Wissenschaft steht fest”.

SMF: Bots und Internet-Trolle maximieren das Engagement, indem sie Klischees verbreiten, die das Denken unterbrechen und einen gesunden Dialog unterbinden, z.B. “Das sind nur die Mainstream-Medien”. Eine tatsächliche Wissenserweiterung wird damit verhindert.

6: Inkrementeller Einfluss

ASM: Sekten praktizieren eine schrittweise Rekrutierung und Indoktrination — sie holen die Mitglieder dort ab, wo sie sind, indem sie lügen, Informationen zurückhalten oder verdrehen und langsam immer extremere Ideen einführen.

SMF: Die Algorithmen der sozialen Medien, die das Engagement maximieren, nutzen das Tempo und die Richtung — sie zeigen den Nutzern Inhalte, die sie haben wollen, die sich mit extremeren Inhalten überschneiden und sie in den Kaninchenbau immer extremerer Ideen schicken.

7: Das Erwachen instrumentalisieren

ASM: Begriffe wie “Erweckung”, um die Motivation der Mitglieder auszunutzen (z.B. Selbstfindung oder Weltverbesserung) und sie davon zu überzeugen, dass die Mitglieder “erwacht” sind und den “richtigen Weg” gehen, während andere das nicht tun.

SMF: Algorithmen in den sozialen Medien, die das Engagement maximieren, verbreiten Inhalte, die Menschen glauben lassen, dass sie nicht mehr manipulierbar sind, z.B. mit den Begriffen “woke” und “red pill”.

Soziale Medien sind dazu da, uns abhängig zu machen und uns zu vereinnahmen. Dieser Artikel des Center for Humane Technology der als Grundlage für diesen Beitrag diente — ist eine gute Hilfestellung für einen bewussten Umgang mit Social Media und wie du deinen Kopf wieder frei bekommst.

How Social Media Features Parallel Cult Techniques - Center for Humane Technology
We explore how social media features parallel cult techniques with cult deprogramming expert, Dr. Steven Hassan.

Ausserdem findest du dort den “The Catalyst” Newsletter, der Themen an der Schnittstelle von Technologie, menschlichem Verhalten, Ethik und Systemreform erkundet. Unbedingt lesenswert!